Willi Bleicher (1907–1981)

Widerstandskämpfer und Arbeiterführer

Als Überlebender eines Konzentrationslagers, von Israel geehrter „Gerechter der Völker“ und charismatischer Gewerkschaftsführer widmete Willi Bleicher sein Leben dem Einsatz für die Interessen der Arbeiter und dem Kampf gegen den Faschismus. In seiner Funktion als langjähriger südwestdeutscher Bezirksleiter der IG Metall avancierte er nach 1945 zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Er prägte dabei einen ebenso geradlinigen wie streitbaren Verhandlungsstil und nahm Weichenstellungen vor, die bis heute nachwirken.

Willi Bleicher wurde am 27. Oktober 1907 in Stuttgart-Cannstatt geboren. Schon im Jugendalter wurde er durch die Erfahrung existenzieller Not politisiert. Nach einer Bäckerlehre und frühem gewerkschaftlichen Engagement brachte er es rasch zum Jugendleiter des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes in Stuttgart. In den 1920er Jahren trat er in die KPD ein, wurde aber schon wenige Jahre später aufgrund seiner Kritik an der Stalinisierung und der mangelnden innerparteilichen Demokratie aus der Partei ausgeschlossen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 geriet Bleicher als Gewerkschafter und ehemaliges KPD-Mitglied ins Visier des NS-Verfolgungsapparates. Er flüchtete zunächst in die Schweiz, später nach Frankreich, kehrte aber nach Stuttgart zurück, wo er sich illegalen kommunistischen Widerstandsgruppen anschloss. Im Januar 1936 wurde er von der Gestapo verhaftet und im November 1936 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, die er in Ulm verbüßte. Anschließend wurde er aber nicht freigelassen, sondern vorübergehend im „Schutzhaftlager“ Welzheim eingesperrt und im Oktober 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, wo er bis Kriegsende inhaftiert blieb. Obwohl ihm die langjährige KZ-Haft gesundheitlich schwer zusetzte, organisierte er immer wieder Häftlingsrevolten. Er versorgte Mithäftlinge mit Kleidung und setzte sein Leben aufs Spiel, als er ein jüdisches Kind über mehrere Monate hinweg vor den Wächtern verbergen und damit retten konnte. 1965 wurde er deshalb von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.

Bleicher überlebte die Konzentrationslagerhaft und setzte sich nach Kriegsende aktiv für den Neuaufbau einer demokratischen Gewerkschaftsbewegung ein, zunächst als Jugendsekretär der Stuttgarter Metallgewerkschaft, später als hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär. Einem kurzzeitigen Wiedereintritt in die KPD folgten der offene Bruch mit dem Kommunismus und der Wechsel zur SPD. In den 1950er Jahren stieg Bleicher dann endgültig an die Spitze der baden-württembergischen Gewerkschaftsbewegung auf und bestimmte als Leiter des IG-Metall-Bezirks Stuttgart (Tarifgebiete Nordwürttemberg/Nordbaden, Südwürttemberg/Hohenzollern und Südbaden) die Strategien der großen und erfolgreichen Arbeitskämpfe um Tariferhöhungen von 1963 und 1971. 1979 verlieh Stuttgart Willi Bleicher mit der Bürgermedaille die höchste Auszeichnung der Landeshauptstadt. Oberbürgermeister Manfred Rommel sagte bei der Ehrung: „In Willi Bleicher verbindet sich das Charisma des Arbeiterführers mit der Vernunft des Sachkundigen und der Menschlichkeit dessen, der mehr Unmenschlichkeit ertragen musste als andere.“ Noch bis zu seinem Tod mahnte Willi Bleicher immer wieder zur Wachsamkeit gegenüber dem Faschismus.

Willi Bleicher starb am 23. Juni 1981 im Alter von 73 Jahren in Stuttgart.


Download der Kurzbiographie (PDF)

Anregungen zum Weiterlesen:

  • ABMAYR, Hermann G.: Wir brauchen kein Denkmal. Willi Bleicher: Der Arbeiterführer und seine Erben, Stuttgart 1992.
  • ABMAYR, Hermann G.: Willi Bleicher (1907–1981) – Helfer bei der Rettung eines Kindes im KZ Buchenwald, in: Angela BORGSTEDT/Sibylle THELEN/Reinhold WEBER (Hrsg.): Mut bewiesen. Widerstandsbiographien aus dem Südwesten, Stuttgart 2017, S. 197–206.
  • BENZ, Georg u. a. (Hrsg.): Willi Bleicher – Ein Leben für die Gewerkschaften, Frankfurt/M. 1983.
  • PRINZ, Detlef/Manfred REXIN (Hrsg.): Beispiele für aufrechten Gang: Willi Bleicher und Helmut Simon. Im Geiste Carl von Ossietzkys, Köln 1979.

Links:


Filmtipp:

„Willi Bleicher: Widerstandskämpfer und Arbeiterführer – Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Ein Filmporträt von Hermann G. Abmayr, 2007.

Film: "Willi Bleicher" (YouTube, September 2010, 3 Teile)

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