Alice Bensheimer (1864–1935)

Sozialpolitikerin und Mittelpunkt der deutschen Frauenbewegung

Alice Bensheimer war über drei Jahrzehnte hinweg in der Mannheimer, badischen und reichsweiten bürgerlichen Frauenbewegung aktiv. Die langjährige Schriftführerin des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) und journalistisch tätige Frauenrechtlerin kooperierte mit dem staatsnahen Badischen Frauenverein genauso wie mit der im Kaiserreich misstrauisch betrachteten sozialdemokratischen Frauenbewegung. Sie war überzeugt davon, dass Fraueninteressen den politischen Lagern überzuordnen seien. Weibliches Engagement in sozialen Belangen verstand sie als Schule und Wegbereiter für das Frauenstimmrecht.

Alice Bensheimer, geb. Coblenz, wurde am 6. Mai 1864 als Tochter des jüdischen Weinhändlers Zacharias Coblenz und seiner Frau Emilie, geb. Meyer, in Bingen geboren. Über ihren Bildungsgang und ihr Leben im Elternhaus ist nichts bekannt. Sie dürfte aber mit dem Halbwissen abgespeist worden sein, das man zeitgenössisch als schicklich für eine Bürgertochter empfand. „Selbstverständlich“ durchlief sie keine Berufsausbildung.

1885 heiratete sie den Mannheimer Verleger Julius Bensheimer. Elf Jahre später wandte sich die nunmehr 32-jährige Mutter zweier Kinder sozial-, kommunal- und frauenpolitischen Aufgaben zu. Sie gründete den mit sozialen Aufgaben betrauten Frauenbund Caritas. Ein Jahr später gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der Mannheimer Vereinsabteilung des Vereins „Frauenbildung – Frauenstudium“, eine dem „radikalen“ Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung angehörige Lobbyorganisation, die sich für Mädchenabitur und Frauenstudium einsetzte.

Politisch aktiv im Sinne der überregionalen bürgerlichen Frauenbewegung wurde Alice Bensheimer spätestens ab 1899. 1905 übernahm sie das Amt der Schriftführerin im Vorstand des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF). Dieses Amt behielt sie bis 1931 inne und arbeitete parallel dazu auch als Redakteurin des Nachrichtenblattes des BDF. Daneben war sie in Mannheim Armenpflegerin und Mitglied der städtischen Armen- und Jugendamtskommission, Mitglied etlicher weiterer lokaler Vereine der bürgerlichen Frauenbewegung und des Badischen Frauenvereins.

Im Ersten Weltkrieg übernahm sie die Leitung der Mannheimer „Zentrale für Kriegsfürsorge“. Auch in der Weimarer Republik war sie bis 1933 als Vorsitzende der „Mannheimer Notgemeinschaft“ tätig. Wie ihr Mann iberaldemokratisch engagiert, wurde sie nach dem Ersten Weltkrieg in den weiteren Vorstand der Mannheimer Ortsgruppe der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) gewählt.

Alice Bensheimer initiierte und unterstützte zahlreiche lokale und überregionale soziale Initiativen. So gelang dem Mannheimer Verein „Frauenbildung – Frauenstudium“ 1916 die Gründung der Sozialen Frauenschule zur Ausbildung von Fürsorgerinnen und verwandten Frauenberufen. Mit dem Siegeszug des Nationalsozialismus wurde es jedoch still um die frauenbewegte Jüdin.

Ihr Tod am 20. März 1935 im Alter von siebzig Jahren ersparte ihr die Verfolgungen, denen bald auch in Mannheim das jüdische, zuvor bestens in der Stadt integrierte Bürgertum ausgesetzt war. Bereits zeitgenössische Würdigungen wiesen Alice Bensheimer die Rolle einer grauen Eminenz in der bürgerlichen Frauenbewegung zu, die sich der „Pflege des Zusammenhangs unter den Vereinen“ verschrieben habe (Gertrud Bäumer). Im Nachruf anlässlich ihres Todes hieß es, sie sei „ein Mittelpunkt für die deutsche Frauenbewegung im Bund Deutscher Frauenvereine“ gewesen (Emma Ender).


Download der Kurzbiographie (PDF)

Anregungen zum Weiterlesen:

  • BENSHEIMER, Alice: Die Organisation des Badischen Frauenvereins. Vortrag, gehalten von Alice Bensheimer, Mannheim, beim internationalen Frauenkongreß in Berlin, am 13.6.1904, Mannheim 1904.
  • BENSHEIMER, Alice: Die Frau im Dienst der Gemeinde, in: Die Frau 15 (1908), S. 193–199.
  • BENSHEIMER, Alice: Praktische Winke zur Abfassung von Petitionen, in: Jahrbuch der Frauenbewegung 1912, Leipzig und Berlin 1912, S. 201–204.
  • SCHRAUT, Sylvia: Chancen und Grenzen kommunalen Engagements der bürgerlichen Frauenbewegung im Wilhelminischen Kaiserreich: das Beispiel Alice Bensheimer (Mannheim),
    in: Ernst Otto BRÄUNCHE/Peter STEINBACH (Hrsg.): Stadt und Demokratie, Ostfildern 2014, S. 179–194.
  • SCHRAUT, Sylvia: Frau und Mann, Mann und Frau. Eine Geschlechtergeschichte des deutschen Südwestens (1789–1980), Stuttgart 2016, S. 161–164.

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