Ursprünge und Grundsteinlegung
1916 suchte die Deutsche Gesellschaft für Kaufmannserholungsheime (DGK) einen Bauplatz für ein Erholungsheim in Württemberg. Dabei gingen von insgesamt 45 Gemeinden mehr als 70 Standortvorschläge ein.
Einer davon war das Hochplateau „Schänzle“ in Bad Urach, idyllisch oberhalb der Stadt gelegen mit freiem Blick in das Seeburger Tal.
Das Grundstück wurde der DGK von der Gemeinde Urach kostenfrei übereignet – zusammen mit einem nicht unbedeutenden finanziellen Zuschuss. Beides unterstreicht das große Interesse, das die Gemeinde Urach an diesem für die Entwicklung des Tourismus im Ort wichtigen Projekt hatte.
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Am 10. September 1916 wurde unter Anwesenheit des württembergischen Königs Wilhelm II. der Grundstein für das geplante „Wilhelm-Charlotte-Heim“ gelegt. Noch im November 1916 wurde der Architekturwettbewerb für den Bau des Hauses entschieden. Preisrichter waren dabei unter anderem der Heilbronner Gold- und Silberwarenfabrikant, linksliberale Reichstagsabgeordnete und Mitbegründer des Deutschen Werkbundes Peter Bruckmann (1865–1937) sowie der Stuttgarter Kommerzienrat Eduard Breuninger (1854–1932). Beide waren wichtige Impulsgeber und Mäzene für die Entwicklung der Architektur in Deutschland.
Mitglied des Preisgerichts war auch der Stuttgarter Architekt Paul Bonatz (1877–1956), einer der akademischen Lehrer von Adolf Schneck. Den Wettbewerb gewann der Stuttgarter Architekt Martin Elsässer (1884–1957) mit einem Entwurf für einen wuchtigen und massiven Bau. Allerdings verhinderten der Erste Weltkrieg und die anschließende Inflation die Umsetzung des Projekts.

Erneuter Architekturwettbewerb
Erst in der sogenannten „stabilen Phase“ der Weimarer Republik, nach der Währungsreform und vor der einsetzenden Weltwirtschaftskrise, wurde 1928 erneut ein Wettbewerb für das Uracher Kaufmannserholungsheim ausgeschrieben.
Gefordert waren Speise- und Gesellschaftsräume sowie Einzel- und Doppelzimmer für 120 Gäste. Im Preisgericht saßen erneut Bruckmann, Bonatz und Breuninger, ergänzt nun um den Stuttgarter Industriellen Robert Bosch (1861–1942), Martin Elsässer (den Gewinner des Wettbewerbs aus dem Jahr 1916) sowie Georg Goldstein (1877–1943), seit 1912 Direktor der DGK in Wiesbaden.
Bauphase und Fertigstellung

Im Mai 1929 erhielt der Stuttgarter Architekt Adolf Schneck den Auftrag für das Erholungsheim, das nun „Haus auf der Alb“ heißen sollte. Allerdings musste er sich den ersten Preis des Wettbewerbs noch mit einem Konkurrenzentwurf teilen. Erst nach einer mehrfachen Überarbeitung der Pläne, die in intensivem Austausch mit dem Bauherren Georg Goldstein erfolgte, kam es zur Realisierung des Projekts.
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Nationalsozialismus und Nachkriegszeit

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde das „Haus auf der Alb“ ein sogenanntes „Kraft-durch-Freude-Heim“ innerhalb der NS-Organisation der „Deutschen Arbeitsfront“. Kurz nach Kriegsbeginn beschlagnahmte die Wehrmacht das Haus und richtete für die Dauer des Krieges ein Reservelazarett ein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das „Haus auf der Alb“ für wenige Monate eine Ferienkolonie für französische Kinder, bevor rund drei Jahre lang schwer Gesichts- und Kieferverletzte in dem ehemaligen Erholungsheim untergebracht wurden. Das Haus diente nun als Abteilung des Tübinger Versorgungskrankenhauses.
Fünf Ärzte und 16 Schwestern kümmerten sich um die Patienten. Selbst komplizierte Operationen wurden hier durchgeführt. 1948 folgten rund 120 Tuberkulosekranke, die hier gepflegt wurden.

Obwohl die DGK bereits ab 1945 wieder als Rechtsnachfolger existierte, konnte sie erst 1950 ihre ursprünglichen Rechte durchsetzen.
Nach einer gründlichen Renovierung konnte das „Haus auf der Alb“ wieder als Erholungsheim betrieben werden. Mitte der Fünfzigerjahre konnte das Haus sehr gute Belegungszahlen vorweisen, doch mit dem Aufkommen des Massentourismus gingen diese stetig zurück.
Das Erholungsheim wurde seit den Sechzigerjahren zusehends unrentabel und 1974 geschlossen.

Das „Haus auf der Alb“ wurde nun vermietet, unter anderem an die „Internationale Meditationsgesellschaft“. Für einige Jahre war das Gebäude nun eine „Akademie für Transzendentale Meditation“ gemäß der Meditationstechnik von Maharishi Mahesh Yogi, einem indischen Guru, dessen Lehren seit den Sechzigerjahren populär geworden waren und der unter anderem zahlreiche Rock- und Popstars wie die Beatles, die Beach Boys oder Donovan zu Meditationskursen nach Indien gelockt hatte.
Das „Haus auf der Alb“ war nun geprägt von rosafarbenen wallenden Vorhängen und von Gästen, die sich in der Kunst des „Yogischen Fliegens“ versuchten, dem Versuch also, nach Erreichung eines „höheren“ Bewusstseinszustandes frei zu schweben (eine Vorstufe war das Hüpfen). Verpflegt wurden die Gäste nun mit vegetarischen Büffets.
Das Motto der Meditationsgesellschaft lautete „keine Gewalt, kein Alkohol, keine Drogen“. Umstritten war die Gesellschaft dennoch und galt vielen als jugendgefährdende Sekte. 1981 war auch dieses Kapitel der Hausgeschichte beendet und das „Haus auf der Alb“ geriet weitgehend in Vergessenheit, verwahrloste zusehends und war schließlich sogar vom Abriss bedroht.

Objekt der Denkmalpflege

Nach dem Zweitem Weltkrieg, nach Zerstörung und Wiederaufbau fokussierte sich der denkmalpflegerische Schutz in Baden-Württemberg rasch auf die Weißenhofsiedlung in Stuttgart, auch wenn noch 1956 deren Abriss öffentlich diskutiert wurde.
Wichtige architektonische Projekte der Moderne in Stuttgart fielen in der sogenannten „Wirtschaftswunderzeit“ der Abrissbirne zum Opfer, so etwa das Kaufhaus Schocken in Stuttgart (1960) oder das von Richard Döcker (1894–1968) Mitte der Zwanzigerjahre gebaute richtungsweisende Krankenhaus in Waiblingen (1959).
Das „Haus auf der Alb“ verdankte es seiner abgeschiedenen Lage, dass es nicht einem profitablen Neubau weichen musste. Zwar zerfiel es zusehends, aber 1981 wurde es nach hartnäckigem Insistieren von engagierten Denkmalschützern in die Denkmalliste des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. Neben dem Krankenhaus in Maulbronn (ebenfalls von Richard Döcker 1928 erbaut) ist es das einzige erhaltene größere Einzelgebäude des „Neuen Bauens“ in Baden-Württemberg.

Von einzelnen Denkmalschützern wurde vor allem die „radikale und gestalterische Logik“ von Adolf Schnecks „Haus auf der Alb“ gewürdigt. Das Haus, so die Fürsprecher seiner Bewahrung, sei bis in die geringsten Details hinein den Lehrsätzen der Neuen Sachlichkeit verpflichtet.
Besonders gewürdigt wurde es, weil es zwei bedeutende Motive der jungen Moderne verwirklichte: einerseits den Gelenkpunkt beider Flügel zur Talseite hin mit einer vorgelagerten Plattform, die den Speisesaal samt Freiterrasse aufnimmt, andererseits die offene Unterkonstruktion aus schlanken Stützen, auf der das Haus – der Topographie gehorchend – steht.
Die Terrasse scheint so zur Talseite hin geradezu schwerelos zu schweben. Letztlich gehen dadurch Haus und Natur eine Symbiose ein. Hier wurde von Denkmalschützern verstanden, dass Denkmalpflege mehr ist als „geranienbehängtes Mittelalter“, sondern dass der Erhalt der Bauten der Zwanziger- und Dreißigerjahre wichtig zum Verständnis dieser Zeit und ihrer Kulturgeschichte ist.
Das „Haus auf der Alb“ ist ein Belegexemplar allererster Güte für diese Epoche des „Neuen Bauens“. Das erkannten dann bald auch die Verantwortlichen beim Land Baden-Württemberg.
Tagungszentrum der LpB

Als das Land Baden-Württemberg 1983 das Haus auf der Alb kaufte, war die Renovierung ein akutes Problem. 1986 beauftragte das Land eine Nürtinger Architektengruppe unter der Leitung von Helmuth Kuby mit dieser schwierigen Aufgabe.
Kuby, ein Schüler des berühmten Architekten Egon Eiermann, setzte sich zum Ziel, das Haus möglichst in seinem Originalzustand zu erhalten und dennoch heutigen Ansprüchen gerecht zu werden. Kuby identifizierte sich vor allem mit Adolf Schnecks Grundhaltung, wonach die Architektur den Menschen und den Gästen des Hauses zu dienen habe.
Seine Aufgabe bestand darin, ein sechzig Jahre altes Erholungsheim in eine moderne Tagungsstätte zu verwandeln. Vieles vom ursprünglichen Charakter des Hauses blieb dabei erhalten: Fenster, Treppen und Balkongeländer, Dachrinnen, Türen und nicht zuletzt die Farbkodierung. In den Gästezimmern wurden Bäder eingebaut, wobei die funktionale Einteilung der Zimmer bestehen blieb. Auch Teile der Möblierung blieben erhalten.

Darüber wurde hinaus wurde für zwei große Seminarräume Platz geschaffen. Sie befinden sich heute im hellen, nach Süden gelegenen Mitteltrakt, wo ursprünglich der Speisesaal war. Den Speisesaal verlegten die Architekten in den früheren Wirtschaftstrakt. Insgesamt ist es dem Architektenteam gelungen, ausgesprochen feinfühlig ein Stück Architekturgeschichte zu retten und gleichzeitig ein modernes Tagungszentrum mit höchsten Ansprüchen zu schaffen.

Am 6. Februar 1992 wurde das Haus auf der Alb als Tagungszentrum der LpB in Betrieb genommen. Es krönt die Aktivitäten der LpB, denn das Haus und seine wechselvolle Geschichte, in der sich die Fortschritte, aber auch die Katstrophen des 20. Jahrhunderts widerspiegeln, sind der Bildungseinrichtung Ansporn und Verpflichtung zugleich. Der Begriff „Jahrhunderthaus“ charakterisiert deshalb das „Haus auf der Alb“ in besonders treffender Weise.
Heute zählt das Gebäude zu den wenigen Tagungsstätten, die in einem denkmalgeschützten Haus untergebracht sind – und zu einem noch kleineren Kreis von Einrichtungen, in denen Denkmalschutz und Bildungsfunktion eine derart geglückte Verbindung eingegangen sind.
Autor: Prof. Dr. Reinhold Weber, LpB / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB (Stand: Juli 2019)